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Vorrang für Klimaschutz auch im Denkmalschutz

Vorbereitung einer Verfassungsbeschwerde


In Alaska schmilzt der tief gefrorene Permafrostboden. Hotels, Werkstätten, Vorratslager, Straßen, Bahnlinien, wichtige Teile der Infrastruktur versinken in Hektometer tiefem Matsch. Das im Permafrost bisher eingefrorene klimaschädliche Methangas und CO2 entweichen in die Atmosphäre.

In Pakistan stehen große Teile des Landes unter Wasser und dieses Wasser ist auch noch durch Fäkalien und verendete Tiere und Menschen ungenießbar geworden.

In unserem Land führen die Flüsse von Jahr zu Jahr weniger Wasser. Die Wälder und die Ernten verdorren, und ab und an gibt es verheerende Überschwemmungen.

Weltweit jagt eine Wetterkatastrophe die andere.

Was muss eigentlich noch alles geschehen, bis unsere Legislative erkennt, dass es uns allen ans Leben geht? Und dass keiner mehr darauf warten darf, dass "die Anderen" endlich anfangen!

Im Folgenden greife ich den Denkmalschutz heraus, von dem kaum jemand vermutet, dass auch dort wichtige Neu-Entscheidungen schlicht versäumt bzw. blockiert werden

Denkmalschutz in der Zeit nach dem Klima-Urteil des BVerfG vom 29.04.2021

Seit Beginn der Industrialisierung ruiniert die Menschheit durch ihre Aktivitäten das globale Klima. Das BVerfG hat immerhin mit seinem Klima-Urteil vom 29.04.2021 ausdrücklich bestätigt, dass diese Gefahr real ist und eingedämmt werden muss.

Mit quälender Langsamkeit laufen nun einige Maßnahmen zum Klimaschutz an. Doch diese Maßnahmen reichen keineswegs aus, wie man am weiteren Anstieg der Klimagaskonzentration in der Atmosphäre - z.B. an der Keeling-Kurve - unschwer erkennen kann. Die CO2-Konzentration war bereits im April 2021 erheblich zu hoch und ist seitdem mit bedrohlicher Geschwindigkeit weiter gestiegen.

Es ist hier nicht der geeignete Platz, wissenschaftliche Argumente für das Maß der Bedrohung und die Wahrscheinlichkeit eines Massensterbens der menschlichen Spezies gegeneinander abzuwägen. Auch soll hier nicht die Frage diskutiert werden, ob das damals vom BVerfG angenommene Klimabudget überhaupt real ist. Vielmehr sollte ein Hinweis auf die staatliche Verpflichtung zur Vorsorge ausreichen.

Wenn die Menschheit überleben will, muss sie dem Klimaschutz - besonders in den Industrieländern - höchste Priorität einräumen. Das gilt für alle Tätigkeitsbereiche, auch für den Denkmalschutz, der derzeit bedauerlicher Weise vorwiegend die klimatechnische Modernisierung alter Bauwerke untersagt, anstatt historische Gebäude klimatechnisch vorbildlich zu modernisieren.

Manchen Denkmalschützern ist anscheinend der Widersinn ihres Verhaltens gar nicht bewusst, dass sie nämlich die klimatechnische Modernisierung ihrer Denkmäler verweigern und damit den kommenden Generationen eine noch stärkere Klimabedrohung hinterlassen - genau den Generationen, für deren Weiterbildung sie ja vorgeblich die Denkmäler konservieren.

Vielen Denkmalschützern ist anscheinend auch nicht bewusst, welche mitreißende Beispiel-Wirkung die klimafreundliche Ertüchtigung solch prominenter Gebäude, wie des Mainzer Doms, des Magdeburger oder des Aachener Doms haben würde. Eine Beispiel-Wirkung, die nicht in Kilowattstunden Solarstrom ausgedrückt werden kann, sondern die sich in der wachsenden Bereitschaft zur aktiven Unterstützung des Klimaschutzes ausdrücken würde. Allein die Tatsache, dass die als konservativ eingeschätzten christlichen Kirchen es für notwendig erachten, solche prominenten Gebäude umzurüsten, demonstriert ja nachdrücklich den Ernst der Lage und die Notwendigkeit der Umrüstung.

Fazit: Wenn die drohende Klimakatastrophe eine radikale Prioritätenänderung verlangt, so muss das für alle Bereiche menschlicher Aktivitäten gelten - auch für den Denkmalschutz.



Der konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung

Zwischen den verschiedenen Kirchen der Welt gibt es unter dem Leitgedanken des konziliaren Prozesses seit Jahrzehnten intensive Diskussionen zu der Frage, wie Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung erreicht werden können. Weltweit finden unter diesem Motto seit Jahrzehnten Diskussionen auf hohem Niveau und mit vielen guten Ideen statt.

Jedoch es bleibt ein entscheidendes Manko!

Der konziliare Prozess erreicht zu wenig Öffentlichkeit!

Genauer gesagt: Die anspruchsvollen Kommunikations- bzw. Werbemittel der Kirchen, wie Gottesdienste, Versammlungen, Christliche Zeitschriften und dergleichen erreichen nicht die Masse der Bevölkerung, die in demokratischen Wahlen ihre Auffassung zu Wirtschaftspolitik, Klimaschutz und Friedenspolitik äußern könnte.

Mit großen Solarstromanlagen auf ihren Sakralbauten könnten die Kirchen jedoch ihren Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung ohne Worte unmittelbar durch die Tat anschaulich machen.

Theologische Argumente zur Ablehnung von Kirchen-Solarstromanlagen gibt es nicht.

Die im Denkmalschutz tätigen Gegner von Kirchensolaranlagen beantworten jedoch immer noch Anträge auf Errichtung von Kirchensolaranlagen mit der kategorischen Aussage: Der Denkmalschutz werde einer Veränderung des Bauwerkes niemals zustimmen.
Mester-Karikatur Gotteshaus wird entweiht
         Die CO2-Schleuder im Hintergrund wird nicht wahrgenommen - Karikatur von Gerhard Mester 

Auf Seiten der Kirchen rührt sich Widerstand gegen die Anmaßungen des Denkmalschutzes, z.B. bei der folgenden Tagung:

Tagung der Bauamtsleitenden der EKD-Gliedkirchen vom 20.-22.04.2022 in Rastede
PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden und Kirchendächern -
Position der Bauamtsleitenden der EKD- Gliedkirchen
Präambel:
Die Konferenz der Bauamtsleitenden der EKD bekennt sich klar zu Photovoltaik (PV) auf kirchlichen Gebäuden:
PV-Anlagen sind ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität der Evangelischen Kirche und somit zur Erreichung der kirchlichen Klimaziele. Auch Kirchendächer und Dächer anderer denkmalgeschützten Gebäude müssen dafür betrachtet werden. Wir als Kirche sehen uns in einer besonderen Verantwortung und Vorbildfunktion zur Bewahrung der Schöpfung.
Grundsätze:
Alle Gebäude, auch die Mehrzahl an denkmalgeschützten Gebäuden der Evangelischen Kirchen, bieten große Potentiale zur Errichtung von PV-Anlagen. Somit sind alle für die Installation einer PV-Anlage geeigneten Dachflächen zu betrachten und die Planung und Realisierung ist konsequent voranzutreiben.
Bei Instandsetzungen und Modernisierungen sollen Dächer so hergerichtet werden, dass PV-Anlagen montiert oder später unkompliziert nachgerüstet werden können. Die PV-Anlagen sollen reversibel sein.

Heutige PV-Anlagen sind eine zu akzeptierende Zeitschicht. Sie sind darum wie andere notwendige Bauteile zu betrachten.
PV-Anlagen auf Sakralgebäuden müssen dem besonderen Anspruch dieser Gebäude gerecht werden. Sie müssen deshalb auf die Gestaltung des Gebäudes Rücksicht nehmen und sind als ruhige und gleichmäßige Flächen zu konzipieren.

Generell müssen PV-Anlagen auf Denkmalen denkmalrechtlich abgestimmt werden. Sie sind hinsichtlich Farbigkeit, Mattigkeit, Kleinteiligkeit und Geometrie gestalterisch überzeugend in das Gebäude einzufügen. Wenn das gegeben ist, ist z.B. Einsehbarkeit aus Sicht der Kirchen kein Ausschlusskriterium.
(Anmerkung des Verfassers: Hier ist offenbar gemeint, dass PV-Anlagen auch als solche von Außen erkannt werden dürfen.)

Beim Einbau von PV-Anlagen darf die erhaltenswerte denkmalgeschützte Bausubstanz allerdings nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Die technischen, baukonstruktiven Voraussetzungen (Statik, Elektrik, Brandschutz) sowie auch die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen müssen gegeben sein.

Innovation und besondere Unterstützung für denkmalgerechte Lösungen, die in der Regel die teuersten und weniger effektiven sind, sind vom Bund und den Ländern einzufordern.
(Anmerkung des Verfassers: In der vorstehenden Anmerkung wird zu Recht beklagt, dass manche Vorgaben des Denkmalschutzes die Lösungen unnötig verteuern, z.B. die Forderung: auf ziegelroten Dächern auch ziegelrote Solarmodule zu verwenden.)
Die Konferenz der Bauamtsleitenden der EKD    Rastede, 21. April 2022


Die Auswirkung der Klima-Entscheidung des BVerfG vom 29.04.2021 auf den Denkmalschutz

Die Gewaltenteilung Gesetzgebung (Legislative), ausführende Gewalt (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) ist ein Grundprinzip unserer Demokratie.

In der Klima-Entscheidung des BVerfG vom 29.04.2021 wird ein erstes zögerliches Umdenken der dritten Gewalt zur Frage des Klimaschutzes erkennbar.

Für den Denkmalschutz dürfte ein Umdenken eigentlich kein großes Problem darstellen.

Der Grundgedanke des Denkmalschutzes stellt ja keineswegs darauf ab, dass ein Gebäude vom Zeitpunkt seiner Errichtung an unverändert geblieben sein muss. An beinahe jedem Gebäude werden im Laufe seines Bestehens zur Behebung von Schäden durch äußere Einwirkungen wie Krieg, Brand, Naturereignisse etc. Eingriffe, aber auch durch Entwicklung und Fortschritt bedingte An-, Um- und Ausbauten vorgenommen worden sein.
Möglicherweise sind es gerade die Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Zustand, die ihrerseits historisch bedeutsame (z.B. architektonische, soziale, politische oder ideologische) Entwicklungen dokumentieren - hier also konkret die stärkere Notwendigkeit des Klimaschutzes - und damit die Denkmaleigenschaft des Objekts ausmachen.

Gerichtsurteile berücksichtigen nicht die positive Entscheidung des BVerfG vom 29.04.2021 zum Klimaschutz

Der Solarserver beklagt: In Sachsen-Anhalt genieße der Denkmalschutz Vorrang vor Photovoltaik
Die Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft kritisiert, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung Denkmalschutz Vorrang vor Photovoltaik habe und dadurch viele Anlagen nicht realisiert werden können.
Jüngst habe das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt wieder entgegen der positiven Entscheidung des BVerfG vom 29.04.2021 geurteilt.

Reaktion der Öffentlichkeit

82 Prozent Zustimmung zu Kirchensolaranlagen! Siehe dazu auch das beeindruckende Ergebnis von über eintausend Telefoninterviews durch das Forsa-Institut.

Positive Beispiele



Pfingstkirche WvF

Foto 13.10.2021: Wolf von Fabeck
Erste PV-Anlage auf einer deutschen Kirche, Duisburg-Essenb. Kaiserstraße 8. Ende der 1980er Jahre initiiert durch Pfr. Hermann Wennmann. Heute Trägerschaft "Pfingstkirche"

Damals waren die Solarmodule erheblich teurer als heute. Man hat deshalb nur den Teil des Daches genutzt, der am Nachmittag nicht durch den Turm beschattet wurde. Heutzutage sind die Solarmodule preisgünstiger und leistungsfähiger, so dass man auch das ganze Dach nutzen könnte. Entscheidend war jedoch, dass man damals überhaupt angefangen hat.



Solarkirche Pannesheide von Ebi
St.Barbara in Pannesheide, Herzogenrath  Foto: Eberhard Waffenschmidt
Man sieht auf dem Kirchendach den Schatten, den der Turm am Nachmittag wirft.

ev. Kirche Lauterbach

Rauenstein, Lauterbach, evangelische Kirche, CC BY-SA 3.0



Johanniterkirche Mirow
Johanniterkirche in Mirow Niteshift, Mirow Kirche 2010-04-07 048, CC BY-SA 3.0

Bugenhagenkirche Greifswald Wieck von Asa Helander
Bugenhagen-Kirche Greifswald-Wieck    Foto: Åsa Helander Die gesamte Dachfläche wird genutzt - Moderne PV-Anlagen können auch beschattete Flächen nutzen.







Verfasser dieses Beitrags:
Dipl.-Ing. Wolf von Fabeck
Ehrenvorsitzender
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)
fabeck@klima-for-future.de